Leitsatz: 1. NV: Ein wirksamer Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO setzt voraus, dass er innerhalb der (noch offenen) Einspruchsfrist gestellt wird. 2. NV: Es ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen höhere Gewalt i.S. des § 110 Abs. 3 AO vorliegt. Die Frage, ob das FG den Geschehensablauf im Einzelfall zutreffend als höhere Gewalt beurteilt hat, vermag der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Gründe: Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. Soweit die Klägerin die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe den Anforderungen des § 116 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt hat, liegen sie jedenfalls nicht vor. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2012 VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, m.w.N.). a) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob ein Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) bereits gestellt werden kann, „bevor die Einspruchsfrist für einen relevanten Steuerbescheid begonnen hat und dieser Antrag dann fortwirkt, sobald ein entsprechender Bescheid vorliegt“. Grundsätzlich bedeutsam sei in diesem Zusammenhang außerdem, „ob eine solche Fortwirkung zumindest dann gilt, wenn der Antragsteller auch nach dem Erlass des Bescheides weiter an seinem Änderungsantrag festhält und dies für die Behörde auch erkennbar ist bzw. sich aus den gegebenen Umständen offensichtlich ergibt, dass der Antragsteller sein Änderungsbegehren nicht aufgegeben hat“. Diesen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie sind durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits hinreichend geklärt. aa) Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO darf ein Steuerbescheid, soweit er (wie im Streitfall mit der Lohnsteuer) andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben betrifft und nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt indessen zugunsten des Steuerpflichtigen (abgesehen von der im Streitfall nicht einschlägigen Fallgestaltung, dass die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft) nur, soweit der Steuerpflichtige vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat. Ist, wie hier, eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen beabsichtigt, muss der Steuerpflichtige bis zum Ablauf der Einspruchsfrist einen bestimmten Antrag auf Änderung stellen. Dieses Erfordernis folgt, wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift und der systematischen Stellung innerhalb des Gesetzes (z.B. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439; vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BFHE 216, 31, BStBl II 2007, 503, und vom 18. November 2008 VIII R 24/07, BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518). § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO setzt hiernach voraus, dass der bestimmte Änderungsantrag innerhalb der (noch offenen) Einspruchsfrist gestellt wird (BFH-Urteile in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518, und vom 10. Mai 2007 III R 67/06, BFH/NV 2007, 2063; BFH-Beschluss vom 5. Mai 2003 II B 1/03, BFH/NV 2003, 1142). Da die Änderung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige den Antrag vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt hat, schließt dies auch ein, dass die Einspruchsfrist in Gang gesetzt sein muss. Andernfalls ist der Antrag unwirksam. Der Antrag kann folglich nicht schon vor Beginn der Einspruchsfrist gestellt werden. Auch die systematische Stellung der Vorschrift im dritten Abschnitt der AO „Festsetzungs- und Feststellungsverfahren“, 1. Unterabschnitt „Steuerfestsetzung“ unter „III. Bestandskraft“ macht deutlich, dass der Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf die Änderung eines bereits erlassenen und nicht eines künftigen Steuerbescheids gerichtet sein muss. In Bestandskraft kann nur ein wirksam erlassener Verwaltungsakt erwachsen. Mit Ablauf der Einspruchsfrist tritt dann regelmäßig die Bestandskraft des Steuerbescheides ein, soweit die Steuerfestsetzung nicht im Hinblick auf die Anwendbarkeit einer Korrekturvorschrift (insbesondere aufgrund eines Antrags nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) offengeblieben ist. bb) Soweit die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen ,über ihren Wortlaut hinaus, sinngemäß auch die Fallgestaltung betreffen sollten, dass ein Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf Änderung eines Steuerbescheids gestellt wurde, der nach Antragstellung durch einen Änderungsbescheid ersetzt worden ist, hat der BFH ebenfalls bereits entschieden, dass die Änderung dieses Änderungsbescheids eine erneute oder aber fortdauernde ältere Zustimmung voraussetzt (Senatsurteil vom 7. November 2006 VI R 14/05, BFHE 215, 61, BStBl II 2007, 236). Ein solcher Sachverhalt liegt nach den nicht angegriffenen und den Senat daher entsprechend § 118 Abs. 2 FGO auch in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz im Streitfall allerdings nicht vor. Denn die Klägerin stellte den Änderungsantrag vom 12. März 2014 lange nach Ablauf der Frist für den Einspruch gegen die Lohnsteuer-Anmeldungen der Streitzeiträume. In Bezug auf die betreffenden Lohnsteuer-Anmeldungen fehlt es daher schon aus diesem Grund an einem wirksamen Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, der in Bezug auf die nachfolgenden Lohnsteuerfestsetzungen hätte fortwirken können. b) Auch die von der Klägerin herausgestellte Rechtsfrage, „ob ein Fall höherer Gewalt i.S.d. § 110 Abs. 3 AO vorliegt, wenn das Finanzamt entgegen einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung über einen ausdrücklich gestellten Änderungsantrag des Steuerpflichtigen nicht entscheidet, sondern stattdessen den Vorbehalt der Nachprüfung des zugrunde liegenden Bescheides aufhebt und damit die Grundlage für eine sonst mögliche und rechtmäßig vorzunehmende Änderung des Bescheides nach § 164 Abs. 2 FGO entzieht“, hat keine grundsätzliche Bedeutung. In der Rechtsprechung des BFH ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen höhere Gewalt i.S. des § 110 Abs. 3 AO vorliegt. Hierunter versteht man ein außergewöhnliches Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch die äußerste, nach Lage der Sache von dem Betroffenen zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2011 III B 91/10, BFH/NV 2011, 1664, und vom 17. November 2009 VI B 74/09, BFH/NV 2010, 817, m.w.N.). Der Begriff der höheren Gewalt ist danach enger als der Begriff „ohne Verschulden“ in § 110 Abs. 1 AO. Er erfasst jedoch nicht nur Ereignisse, die menschlicher Steuerung völlig entzogen sind (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Oktober 2007 2 BvR 51/05, BVerfGK 12, 303). Höhere Gewalt kann auch vorliegen, wenn der Betroffene durch arglistiges Verhalten seines Gegners an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehindert worden ist oder wenn die Fristversäumnis auf das rechts- oder treuwidrige Verhalten der Behörde zurückgeführt werden kann (BFH-Beschlüsse vom 18. April 2005 IV B 90/03, BFH/NV 2005, 1817, und in BFH/NV 2010, 817). Danach kommt der von der Klägerin bezeichneten Frage die behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Mit ihrer Frage wendet sich die Klägerin im Kern gegen die Beurteilung des Geschehensablaufs durch das Finanzgericht (FG) im Einzelfall. Dies vermag der Rechtssache aber keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen (s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1664). 2. Soweit die Klägerin meint, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, gehört zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (Senatsbeschluss vom 15. März 2011 VI B 151/10, BFH/NV 2011, 1003). Die Beschwerdebegründung entspricht diesen Anforderungen nicht. Denn die Klägerin hat der Vorentscheidung schon keinen tragenden, abstrakten Rechtssatz entnommen und einen solchen Rechtssatz folglich auch nicht einem tragenden, abstrakten Rechtssatz der vermeintlichen Divergenzentscheidung (hier dem Senatsurteil in BFHE 215, 61, BStBl II 2007, 236) gegenübergestellt. Soweit die Klägerin das FG-Urteil in ihrer Beschwerdebegründung auszugsweise wörtlich wiederholt, stellt sie hierdurch noch keinen abstrakten Rechtssatz der Vorentscheidung heraus. Zudem schließt sich das FG in dem von der Klägerin wiedergegebenen Zitat dem Senatsurteil in BFHE 215, 61, BStBl II 2007, 236 ausdrücklich an. Selbst wenn das FG das Senatsurteil in BFHE 215, 61, BStBl II 2007, 236 unrichtig auf den Einzelfall angewendet haben sollte, wie die Klägerin meint, ergibt sich hieraus noch keine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (s. BFH-Beschlüsse vom 29. März 2011 VIII B 170/10, BFH/NV 2011, 1169, und vom 2. Dezember 2013 III B 148/12, BFH/NV 2014, 544; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 55, m.w.N.). Erstmals mit ihrem Schriftsatz vom 4. Juni 2018 – und damit nach Ablauf der Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO)- hat die Klägerin aus dem Senatsurteil in BFHE 215, 61, BStBl II 2007, 236 und aus dem FG-Urteil abstrakte Rechtssätze herausgearbeitet und einander gegenübergestellt. Dieses Vorbringen kann der Senat allerdings nicht mehr berücksichtigen, so dass auch dahinstehen kann, ob dem Senatsurteil in BFHE 215, 61, BStBl II 2007, 236 tatsächlich der von der Klägerin herausgestellte Rechtssatz entnommen werden kann. Denn aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ergibt sich, dass die Frage, ob die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den gesetzlichen Anforderungen genügt, nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 2013 V B 6 -Quelle: Stollfuss Verlag |